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DIE GANZE GEMEINDE BRINGT DAS GANZE EVANGELIUM IN DIE GANZE WELT

25 Aug 2011

Reflektionen der lausanner theologischen arbeitsgruppe

Einleitung 

Die Lausanner Theologische Arbeitsgruppe (in Zusammenarbeit mit der Theologischen Kommission der WEA (Weltweite Evangelische Allianz)) war Gastgeber dreier Informationsgespräche mit insgesamt 60 Teilnehmern aus allen Teilen der Welt, um die drei Hauptthemen des Lausanner Mottos „Die ganze Gemeinde bringt das ganze Evangelium in die ganze Welt” sorgfältig zu prüfen. Die Gespräche fanden an folgenden Orten statt:

  • Chiang Mai, im Februar 2008, über „Das ganze Evangelium”
  • Panama, im Januar 2009, über „Die ganze Gemeinde”
  • Beirut, im Februar 2010, über „Die ganze Welt” 

Bei jeder Zusammenkunft arbeiteten wir auf der Grundlage von 6 Plenarberichten und 15-20 Fallstudien, wobei der interaktiven Diskussion ein Maximum an Zeit gewidmet war. Die nachfolgenden Abschnitte reflektieren unser Bestreben, die quantitativen und qualitativen Dimensionen der drei Stichworte des Lausanner Mottos im Licht des biblischen Zeugnisses und unseres eigenen Kontexts zusammenzubringen. Sie sind Teil des Beitrags der Theologischen Arbeitsgruppe zur Vorbereitung auf den III. Lausanner Kongress – Kapstadt 2010.  

Die Berichte und einige der Fallstudien wurden in drei Ausgaben der  Evangelical Review of Theology (Evangelische Review der Theologie), 33.1 (2009); 34.1 (2010), 34.3 (2010) publiziert.

Teil I – Das Ganze Evangelium

Wir begannen mit „dem ganzen Evangelium”, weil die Gemeinde selbst das Produkt und der Beweis des Evangeliums ist – und nicht nur den Überbringer darstellt.  Das Evangelium, das Gottes gute Nachricht in Jesus von Nazareth verkörpert, ist eng damit verknüpft, wie wir die Mission der Gemeinde sowie unseren Dienst und unser Zeugnis gegenüber der ganzen Schöpfung verstehen.

Die Informationsgespräche wurden von sechs Themen geprägt: 

  • Das Evangelium in der biblischen Offenbarung
  • Das Evangelium und die Errungenschaft des Kreuzes
  • Das Evangelium und die Kraft des Geistes
  • Das Evangelium aus der Sicht der historischen Rezeption
  • Das Evangelium in der Mission und Kultur
  • Das Evangelium und die Ethik

Unseren endgültigen Bericht gruppierten wir jedoch um die sechs verschiedenen Bedeutungen des Wortes „Evangelium“, die vom Apostel Paulus verwendet wurden.

A. Das Evangelium erzählt die Geschichte von Jesus im Licht der ganzen Bibel.

1. Das Evangelium ist eine Darstellung des Todes und der Auferstehung Jesu im Licht des Alten Testaments. Wie Paulus selbst sagt:

Ich erinnere euch aber, ihr Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch gerettet werdet, wenn ihr an dem Wort festhaltet, das ich euch verkündigt habe — es sei denn, dass ihr vergeblich geglaubt hättet. Denn ich habe euch zuallererst das überliefert, was ich auch empfangen habe, nämlich dass Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften, und dass er begraben worden ist und dass er auferstanden ist am dritten Tag. (1. Kor. 15,1-4 und Gal. 1,11 – 2,10).

Das Evangelium hat seine Wurzeln in der Bibel, ist geprägt durch das Reich Gottes und begründet durch das, was Jesus als Messias vollbracht hat, als er die ganzen Schriften erfüllt  und die Herrschaft Gottes als König verkörpert hat (vgl. Apostelgeschichte 28,23.30-31).  

2. Paulus’ Definition des Evangeliums enthält die zentralen historischen Fakten (Christus starb für unsere Sünden, wurde begraben und ist am dritten Tag auferstanden) und den biblischen Kontext und seine Bedeutung („nach den Schriften“). Deshalb braucht es beides, um „das ganze Evangelium“ zu verstehen. Wenn wir unser Verständnis des ganzen Evangeliums aus der ganzen Bibel beziehen, wird uns dies davor schützen, das Evangelium auf einige wenige Formeln zu reduzieren, um die Kommunikation und das „Marketing“ einfacher zu machen, und es wird uns daran erinnern, dass es letztendlich Gottes Geist ist, der Menschen aus allen Kulturen und Orten in diese Geschichte hineinzieht.

3. Die erzählerische Form des Evangeliums, gegründet auf die ganze biblische Geschichte der Errettung Gottes, bedeutet, dass Menschen in verschiedenen Kulturen manchmal an unterschiedlichen Punkten in die Geschichte „eintreten”, je nachdem, was ihre besonderen oder auch sofortigen Bedürfnisse sind und was ihrem kulturellen Verständnis näher kommt. So werden sie hineingezogen in die zentralen Fakten und Bestätigungen rund um Jesus Christus. Wichtig ist, dass, was auch immer der „Eintrittspunkt” ist, Menschen tatsächlich eingeladen werden, diese Geschichte zu verstehen und ihr zu vertrauen – nämlich der biblischen Offenbarung des lebendigen Gottes und seines Erlösungswerks in Christus.  

B. Das Evangelium schafft eine neue versöhnte Menschheit in der einen Familie Gottes.

1. Gott wollte mit seinem Plan, den er Abraham bekannt gemacht hatte, von Anfang an alle Nationen der Welt durch Israel segnen (Eph. 2,13-18). Die von Gott entfremdeten Heiden können „durch das Evangelium“ den gleichen Stand erhalten wie ihn das alttestamentliche Israel bisher hatte, so dass durch das Blut Jesu gläubige Juden und Heiden zu einer neuen Menschheit im Messias werden können, versöhnt miteinander und mit Gott durch den Heiligen Geist (Epheser 2,13-18).

2. Dieses Frieden stiftende Werk des Kreuzes – die Versöhnung der Juden und Heiden und die Schaffung einer neuen Menschheit – ist nicht nur eine Begleiterscheinung des Evangeliums, sondern es gehört zum innersten Wesen des Evangeliums (Eph. 3,6). Paulus schließt es in das Werk des Kreuzes ein.

3. Die Gemeinde als Gemeinschaft derer, die versöhnt sind miteinander und mit Gott, ist somit der Inbegriff des Evangeliums. „Durch die Gemeinde“ erklärt Gott den „Fürstentümern und Gewalten” die göttliche Weisheit des Evangeliums (Eph. 3,10). Die Gemeinde ist nicht nur der Überbringer des Evangeliums, sondern sie ist der lebende Beweis seiner Versöhnungskraft.

C. Das Evangelium verkündet die Erlösungsbotschaft des Kreuzes und der Auferstehung.

1. Die „Natur” des Evangeliums ist, dass es die gute Nachricht ist, die allen Nationen als „Wort der Wahrheit” verkündet werden muss (Eph. 1,13; Kol. 1,5.23; 1. Thess. 2,13). Das Evangelium hat grundsätzlich eine verbale Dimension. Es ist eine Geschichte, die erzählt werden muss, damit ihre Wahrheit und Bedeutung verstanden wird. Vor dem trostlosen Hintergrund der Zerstörung und des Todes, verursacht durch menschliche und satanische Rebellion gegen alle Dimensionen des menschlichen Lebens und der Kultur und Gottes Schöpfung, steht die Botschaft des Kreuzes als die gute Nachricht.

2. Das Evangelium erklärt, dass Gott im vereinten Werk des Kreuzes und der Auferstehung Christis allumfassend die Verurteilung auf sich nahm, die unsere Sünde verdient hätte, er die Niederlage und letztendlich die Zerstörung des Teufels, des Todes und aller bösen Mächte bewerkstelligte, die Versöhnung aller Gläubigen mit Gott und untereinander über alle Grenzen und Feindschaften hinweg erreichte sowie die endgültige Erlösung aller Kreatur vollbrachte. Alle Segnungen des Evangeliums sind ein Geschenk der Gnade Gottes, die wir einzig durch den Glauben an Jesus empfangen können.

3. Das Kreuz war die höchste Form der selbstlosen Hingabe Gottes. Deshalb ist es ein völliger Widerspruch der Botschaft des Kreuzes, wenn das Evangelium kommerzialisiert wird oder seine Dienste gewinnbringend verkauft werden. Das Leiden zeugt von einer wichtigen Dimension des Evangeliums und das Neue Testament weist immer wieder darauf hin. Einer der Hauptgründe, warum wir so vieles des sogenannten Wohlstandsevangeliums ablehnen und es eigentlich ein falsches Evangelium nennen ist, dass es die Theologie des Kreuzes und des Leidens auslässt.

D.  Das Evangelium bewirkt eine ethische Transformation 

1. Jesus sagte: „Tut Buße und glaubt” (Markus 1,15). Eine radikale Lebensveränderung geht einher mit dem Glauben an die gute Nachricht – zwischen ihnen kann keine Trennung bestehen. Die Botschaft des Evangeliums verlangt nicht einfach mentale Zustimmung, sondern Gehorsam. Das Evangelium spricht von einer Errettung, die durch die Gnadeund durch gute Werke geschieht. „Obwohl wir nicht durch gute Werke errettet werden können, kann die Errettung auch nicht ohne sie stattfinden. Gute Werke sind nicht der Weg zur Errettung, sondern der maßgebliche und notwendige Beweis dazu. Ein Glaube, der sich nicht in guten Werken ausdrückt, ist tot.” (1) Es ist eine ethische Transformation, die das Evangelium aus der Gnade Gottes heraus bewerkstelligt. Es ist die Gnade Gottes, die uns errettet aber auch formt, um im eschatologischen Licht des zweiten Kommens von Christus zu leben (Tit. 2,11-14). Sie macht uns auch fähig gehorsam zu sein, selbst wenn ein solch treuer Gehorsam zum Evangelium ein Opfer darstellt (2. Kor. 9,12-13).

2. Dieses Verständnis des Evangeliums als eine Sache des Gehorsams und nicht nur des Glaubens wird von Petrus geteilt (Apg. 5,32; 1. Pet. 4,17), Jakobus (Jak. 2,14-26), Johannes (1. Joh. 2,3; 3,21-24; 5,1-3) und dem Schreiber des Hebräerbriefs (Heb. 5,9). Das Ganze geht natürlich zurück auf Jesus selbst (z. B. Matt. 7,21-27; Lk. 11,28; Matt. 28,20; Joh. 14,23-24). Das Evangelium, das grundsätzlich verbal ist, ist genauso grundsätzlich ethisch. Es gibt keine Veränderung ohne Evangelium.

E. Das Evangelium proklamiert die Wahrheit und deckt das Böse auf vor dem Urteil Gottes.

1. Das Evangelium ist auch die Wahrheit, die verteidigt werden muss gegen Verleugnung oder Perversion. Somit hat das Evangelium eine polemische Dimension. Es steht im deutlichen Gegensatz und Konflikt mit anderen Weltanschauungen und auch innerhalb der Gemeinde selbst gibt es Verzerrungen und falsche Lehren. Ein Diener des Evangeliums zu sein ist anstrengend und bedeutet geistlichen Kampf. Paulus hat das erfahren und davor gewarnt (Gal. 1,6-9; 2,5.14; Phil. 1,7.27; 4,3; 1. Tim. 1,11; 2. Tim. 1,8; Phlm. 13).

2. Im Evangelium ist die Ablehnung des Bösen ein integraler Teil seines Bejahens der Segnungen der ewigen Errettung und der Hoffnung auf Gottes neue Schöpfung. „Die Botschaft des Heils schließt eine Botschaft des Gerichts über jede Form der Entfremdung, Unterdrückung und Diskriminierung ein. Wir sollten uns nicht scheuen, Bosheit (das Böse) und Unrecht anzuprangern, wo immer sie existieren.” (2)  

F. Das Evangelium ist die universelle Kraft Gottes in der Schöpfung und Geschichte.

1. Für Paulus hatte das Evangelium ein Eigenleben. Somit konnte er es personifizieren als etwas, was auf der ganzen Welt arbeitet, aktiv ist, Frucht bringt und Frucht verbreitet (Kol. 1,6). Alles im Universum wurde von Christus geschaffen, wird durch Christus erhalten und wird durch Christus mit Gott versöhnt durch sein Blut am Kreuz. Dies ist der atemberaubende universale Bereich des Evangeliums (Kol. 1,15-23). Deshalb ist es nicht überraschend, dass das Evangelium „in der ganzen Schöpfung unter dem Himmel” verkündet wird (V. 23), denn es ist die gute Nachricht für die ganze Schöpfung.

2. Das Evangelium ist die Kraft Gottes in Christus Jesus und durch den Geist. Es gibt kein vollständiges Evangelium ohne die Person, Arbeit und Kraft des Heiligen Geistes. Er ist der missionarische Geist des missionarischen Vaters und des missionarischen Sohnes, der Leben und Kraft in Gottes missionarische Gemeinde bringt. Ohne das Zeugnis des Geistes von Christus ist unser Zeugnis nutzlos; ohne die Überführung des Geistes ist unser Predigen umsonst; ohne die Kraft des Geistes in unserer Mission ist alles lediglich menschliches Versuchen; und ohne die Frucht des Geistes können unsere unschönen Leben kein Zeugnis von der Schönheit des Evangeliums abgeben. Wir beten, dass in allen Teilen des weltweiten Leibes Christi eine größere Erweckung dieser biblischen Wahrheit und erfahrenen Wirklichkeit stattfinden wird.

Teil II – Die ganze Gemeinde

Das zweite Informationsgespräch untersuchte die Identität, Rolle und Funktionen der ganzen Gemeinde innerhalb der Mission Gottes in der Welt. Die Mission, die Gemeinde und die ganze Welt gehören Gott. Die Gemeinde leitet ihre Identität und ihren Daseinszweck von dem Gott ab, der uns als sein Volk berufen und geschaffen hat.

Die Diskussion drehte sich um sechs Hauptthemen:

  • Die ganze Gemeinde in der ganzen Bibel
  • Die ganze Gemeinde als die veränderte und verändernde Gesellschaft
  • Die ganze Gemeinde als „ein Volk“, das sich mitten in einer gespaltenen Welt zur Ganzheit verpflichtet
  • Die ganze Gemeinde, dazu berufen, ein Segen für alle Völker zu sein, besonders im Zusammenhang mit Exil und Migration.
  • Die ganze Gemeinde und Missionsstrategien
  • Die ganze Gemeinde in ihrer verwirrenden Vielfalt

Wir ordneten die Ergebnisse dieser Informationsgespräche rund um die vier großen Begriffe an, die im Nicäanischen Glaubensbekenntnis verwendet werden, um die Gemeinde zu beschreiben, nachdem es sich herausgestellt hatte, dass jeder einzelne eine starke missionarische Bedeutung hat: „Wir gauben an eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.“

A. EINS

1. Die Gemeinde/Kirche ist eins in Bezug auf den einen lebendigen Gott, denn er allein ist der Schöpfer, Erlöser und Herr, der sie erhält, heiligt und in ihr wohnt durch seinen einen Geist. Die Gemeinde ist eins in Bezug auf Christus, denn zu ihr gehören alle, die in Christus sind. Die Gemeinde ist eins durch die ganze Geschichte hindurch, denn zu ihr gehören alle, die Gott zu allen Zeiten zu sich gerufen hat, vor und nach der Inkarnation. Die Gemeinde ist eins in all ihren biblischen Darstellungen, denn es gibt nur einen Haushalt Gottes, eine Braut Christi, eine Priesterschaft und einen Tempel, nur einen Leib – den Leib Christi.

2. Die Gemeinde als „eine” spricht auch von Integration. Wir möchten gerne die Gegensätzlichkeit, die uns traurigerweise so oft trennt, hinter uns lassen, um dafür zu einem evangelikalen Verständnis der Gemeinde zu kommen, in der solche Gegensätzlichkeiten im Prinzip als gegenstandslos gesehen werden können. Zu diesen zerstörerischen falschen Gegensätzlichkeiten gehören:

Wort und Tat.  Beide sind grundsätzliche Bestandteile des christlichen Lebens und Zeugnisses. Die Gemeinde ist durch ihr Leben und ihre Handlungen der Beweis und die Glaubwürdigkeitsstruktur des Evangeliums. Wir werden gehört aufgrund unserer Taten und aufgrund unserer Worte (1. Petrus 3).

Evangelismus und soziales Engagement.  Wir glauben, dass die Bemühungen, die Beziehung dieser beiden herauszustellen, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts notwendig wurden, wegen ihrer irrtümlichen Trennung, die in der ersten Hälfte vorgenommen wurde. Die Beziehung zwischen ihnen ist wesentlich und zugehörig. Deshalb drängen wir Lausanne, die Zustimmung zu einem ganzheitlichen Verständnis der Mission aufrecht zu erhalten, die beide untrennbar mit einbezieht.

3. Die Einheit der Gemeinde muss auch als ein ganzheitlicher Teil des Planes Gottes für die gesamte Schöpfung gesehen werden. Sie hat eine prophetische und eschatologische Dimension. Paulus sieht die Einheit der Gemeinde als das prophetische Zeichen der versöhnten Einheit, die eines Tages für die ganze Menschheit und Schöpfung in Christus stattfinden wird (Eph. 1,10. 22-23; Kol. 1,15-20). Unsere Besorgnis für die Einheit der Gemeinde ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Verständnisses, was wir mit „der ganzen Gemeinde” in ihrer Mission meinen. Es ist bezeichnend, dass Petrus in einem Kapitel, das sich auf das positive Zeugnis gegenüber Ungläubige bezieht, die Anweisung gab, „in Harmonie miteinander zu leben” (1. Pet. 3,8)

B.  HEILIG

1. Die Heiligkeit des Volkes Gottes ist eine Tatsache und eine Pflicht. Sie ist gegeben und eine Aufgabe. Sie ist ein Status und eine Verantwortung. Die Gemeinde ist die Gemeinschaft derer, die Gott für sich bestimmt hat und „heilig gemacht hat“ (3. Mose 22,32; 1. Kor 1,2; 1. Pet. 1,2). Aber es ist auch die Gemeinschaft, die “heilig sein soll” in jedem Aspekt des Lebens auf dieser Erde (3. Mose 18,3-5; 19,2; 1. Pet. 1,15-16). Wir sollen leben, was wir sind. In diesem Licht gesehen ist Heiligkeit auch grundsätzlich missionarisch, denn sie beschreibt eine Identität und ein Leben, das verwurzelt ist im Charakter und in der Mission Gottes.

2. Im 1. Brief des Petrus (dort finden wir das stärkste neutestamentliche Echo des alttestamentlichen Gebots, „heilig zu sein, denn Gott ist heilig”) wird eine sehr starke Betonung auf „das Gute tun” oder „das Richtige tun” gelegt (10 Mal in diesem Brief). Und von dieser Manifestation der praktischen Heiligkeit – selbst bei leidenden Gläubigen oder bei Gläubigen, die unterdrückt waren (wie z. B. Sklaven oder Ehefrauen von ungläubigen Ehemännern) – erwartete man, das sie evangelistische Frucht bringen würden. Heilig zu leben, dadurch, dass man Gutes tut, ist eingebunden in „jedem eine Antwort zu geben, der dich nach dem Grund der Hoffnung fragt, die in dir ist”. In anderen Worten, Heiligkeit und Mission sind aus einem Stück. Gute Evangelisation geschieht dann, wenn Christen gute Dinge tun als Frucht der Heiligkeit. Dennoch bekennen wir unser Versagen bei der Manifestation solcher missionarischer Heiligkeit auf zumindest die folgende Weise:

  • Wir haben versagt darin, die Forderung nach Heiligkeit zu einem wesentlichen Teil unseres missionarischen Einsatzes zu machen, wenn wir die Betonung ausschließlich auf Evangelismus anstatt auf Nachfolgerschaft legen.
  • In der Gemeinde tolerieren wir ein weites Spektrum unheiligen, nicht christusgemäßen Benehmens, ohne zu erkennen, dass dies unsere Ekklesiologie verschmutzt und unsere Mission unterminiert. Es gibt viele verschiedene unheilige Dinge in den unterschiedlichen Kulturen, aber sie müssen erkannt und in Demut angesprochen werden.

3. Wir haben zugelassen, dass wir von Ideologien und Götzendienst gefangen genommen wurden, die gegen die biblische Heiligkeit angehen. Dies erfordert unsere Unterscheidungskraft in der Welt um uns herum. Wir haben einige Formen von Götzendienst identifiziert, in die evangelikale Christen oft involviert sind oder die sie zumindest stillschweigend dulden:  

  • Konsumdenken oder Besitzgier
  • Nationalismus oder Patriotismus
  • Gewalt
  • Ethnischer Stolz
  • Egoismus
  • Ungerechtigkeit aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit

In all diesen Punkten muss die Gemeinde selbst Buße tun, Vergebung und Versöhnung suchen, und für eine größere prophetische und missionarische Heiligkeit des Lebens und des Zeugnisses beten.

C.  KATHOLISCH

1. Das Wort „katholisch” im Glaubensbekenntnis spricht von der universalen Kirche/Gemeinde – welches ein anderer Ausdruck für „die ganze Gemeinde” ist. Die Gemeinde Gottes ist universal, was die Mitgliedschaft betrifft, denn sie ist offen für Menschen aus jeder Nation. Sie ist universal in ihrer Ausdehnung, denn sie kennt keine geographischen Grenzen. Sie ist universal in Zeit und Ewigkeit, denn sie schließt alle Menschen Gottes aus allen Generationen der menschlichen Geschichte mit ein. Und sie ist universal in den Augen Gottes, denn der Herr weiß, wer zu ihm gehört. 

2. Doch leider erkennen wir oft nicht die volle Leistung, die diejenigen in die Gemeinde einbringen, die Gott in die Gemeinde berufen hat. In unseren Informationsgesprächen fassten wir besonders jene ins Auge, deren Beitrag unterbewertet, herabgemindert, übersehen oder sogar verhindert wird:

  • Frauen 
  • Menschen mit Behinderungen
  • Immigranten
  • Indigene bzw. einheimische Bevölkerungsgruppen
  • „Insiderbewegungen” (3)

Wenn es diesen Gruppen erlaubt wird (oder sie dazu gezwungen werden) sprachlos und unsichtbar zu bleiben, dann verlieren wir die Ganzheit der Gemeinde Gottes. Insofern schadet und vermindert es die Wirksamkeit unserer Mission, wenn wir es versäumen, die volle Katholizität der Gemeinde zu schätzen und danach zu handeln.

3. Gott hat seiner universalen Gemeinde eine große Vielfalt an Gaben, Berufungen und Diensten geschenkt, damit alle Mitglieder für den Dienst und die Mission ausgerüstet und gesegnet werden können (1. Pet. 4,10-11). Wir müssen diese Lehre positiver anschauen und vermeiden, eine Gabe höher zu stellen als die andere oder manche Formen der Berufung oder des Dienstes als zweitrangig zu bezeichnen. Wir unterstreichen, dass Dienstgaben und Berufungen nicht geschlechtsspezifisch definiert sind oder aufgrund der Ethnizität, des Wohlstands oder gesellschaftlichen Standes. Weil die ganze Gemeinde zur Mission aufgerufen ist, hat auch die ganze Gemeinde die Gabe zur Mission.

D.  APOSTOLISCH

1. Die apostolische Natur der Gemeinde hat drei biblische Bedeutungen:

a) Historisch: Die Gemeinde ist auf die historischen Apostel Jesu Christi gegründet. Ihr autorisiertes Zeugnis von Christus in Wort, Tat und durch die Schriften des Neuen Testaments, zusammen mit ihrer autorisierten Akzeptanz der Schriften des Alten Testaments, stellen die primäre massgebliche und endgültige Quelle unserer Ekklesiologie dar.
b) Doktrinär: Wir sind dazu aufgerufen, uns treu an die Lehre der Apostel zu halten, indem wir uns unter die Autorität der Bibel unterordnen.
c) Missionarisch: Wir sollen die Mission der Apostel weitertragen, indem wir Zeugnis geben vom Erlösungswerk Gottes in Jesus Christus.

Die Gemeinde ist eine Glaubensgemeinschaft in Übereinstimmung mit den Aposteln. Wir sind berufen, so zu leben, wie diejenigen, die in die Mission gesandt wurden – wie die Apostel, die der auferstandene Christus gesandt hat.

2. Die Gemeinde als „apostolisch“ zu bezeichnen, bedeutet, dass die Gemeinde per definitionem missionarisch ist. Sie kann nichts anderes sein, und wenn, ist sie nicht die Gemeinde. Mission ist nicht etwas, was wir der Identität oder der Rolle der Gemeinde hinzufügen, sondern sie liegt im Wesen der Gemeinde. Deshalb, obwohl wir den Wunsch kennen, der hinter der vermehrten Anwendung des Ausdrucks„missionarische Gemeinde“ steht, ist dieser Ausdruck im Wesentlichen tautologisch. (4)

3. Wir freuen uns über die Begeisterung über die vielen verschiedenen Strategien des Evangelismus, die innerhalb der Gemeinde Gottes entstanden sind. Wir bekräftigen und bewundern die Hingabe und Energie jener, welche die Aufmerksamkeit der Gemeinde auf die Menschen und Orte lenken, wo der Name Jesus Christus noch nie gehört wurde und die Wege suchen, sie mit dem Evangelium zu erreichen. Solche Motivationen und Bemühungen reflektieren das Herz des Apostels Paulus. Die apostolische Gemeinde muss die evangelisierende Gemeinde sein.

4. Es kann jedoch sein, dass zwingende Strategien der Auslöser des Evangelisierens sind, die jedoch biblische Ekklesiologie vermissen lassen oder die Ekklesiologien impliziert haben, die biblisch falsch sind. So zum Beispiel:

  • Container-Gemeinde: Evangelismus wird so verstanden, die größtmögliche Anzahl Menschen in den Himmel zu bringen. Die Gemeinde wird zum Container, wo die Bekehrten „gelagert” werden, bis sie in den Himmel kommen.
  • Ernte-Gemeinde: Evangelismus ist dazu da, die maximale Anzahl Garben in die Scheune zu bringen, bevor die Erntezeit vorbei ist. Deshalb ist Eile das Wichtigste.
  • Rettungsboot-Gemeinde: Wenn das Ziel der Gemeinde ist, Seelen in einer sinkenden Welt zu retten, dann wird die Gemeinde zum Rettungsboot. Es gibt keine vernunftmäßigen Erklärungen mehr, keine Motivationen und auch keine Zeit mehr, sich auf kultureller, sozialer oder ökologischer Ebene mit der Welt zu befassen.

5. Evangelistische Eile bringt oberflächliche Nachfolger hervor. In missionarischem Eifer versuchen, apostolischzu sein, ohne eine Hingabe zu heiliger Jüngerschaft bedeutet, zwei der wichtigsten Merkmale der Gemeinde auseinanderzureißen.

Teil III – Die ganze Welt

Das letzte Informationsgespräch drehte sich um das Thema „Die ganze Welt” und die Veranstaltungen bezogen sich auf sechs Hauptthemen:

  • Die Welt in der Bibel
  • Die Welt der Schöpfung Gottes
  • Die Welt der Religionen
  • Die Welt der globalisierten Öffentlichkeit
  • Die Welt der Gewalt
  • Die Welt der Armut und Ungerechtigkeit

A.  DIE WELT IN DER BIBEL

1. In der Bibel finden wir eine grundsätzliche Zwiespältigkeit, was „die Welt” betrifft. Einerseits ist sie Gottes wunderbare Schöpfung, wird von ihm geliebt und wird erlöst werden. Andererseits ist es der Ort der menschlichen und satanischen Rebellion und Opposition gegen Gott. In unserer missionarischen Reflektion und unserem Engagement in der Welt müssen wir beide in einem kreativen Spannungsverhältnis berücksichtigen.

2. Die Bibel hat ein reiches Vokabular, mit dem sie „die Welt“ beschreibt. In dieser ganzen Unterschiedlichkeit  gibt es in der Bibel mindestens fünf Hauptdefinitionen. „Die Welt“ kann folgendes bedeuten:

  • Die physische Schöpfung  
  • Die gesamte Menschheit einschließlich Nationen, Sprachen und Religionen
  • Der Ort der Rebellion und des Widerstands gegen Gott
  • Das Ziel der Liebe Gottes und die Arena von Gottes erlösender Mission in der Geschichte
  • Die neue Schöpfung

Der letzte Teil dieses Berichts kombiniert die letzten drei dieser Dimensionen unter dem Titel „Die Welt der Sünde und Erlösung”.

3. In der Bibel lesen wird, dass die Welt Gott gehört, dass er in der Welt herrscht, er sich durch die Welt offenbart, alles beobachtet, was in der Welt geschieht und die Welt und „alles, was er gemacht hat“, liebt. Menschen als seine Geschöpfe sind Teil aller Beziehungen zwischen Gott und der Welt. Obwohl jede Dimension dieser Beziehungen zerbrochen ist und durch die Sünde widersteht, bleibt es die Wahrheit, dass alle Menschen Gott gehören, unter Gottes Souveränität leben, eine gewisse Kenntnis von Gott haben, Gott gegenüber Rechenschaft ablegen müssen, von Gott geliebt werden (gleichgültig, wie sehr wir seine Liebe ablehnen oder seine täglichen Beweise der Liebe ignorieren oder Gott tatsächlich als einen Feind behandeln) und Gott nicht entkommen können. Wo immer wir auch hingehen in der Welt: Es gibt keinen Ort, wo wir sein können, an dem Gott nicht gegenwärtig und aktiv ist in souveräner Offenbarung und Gnade.

B. DIE WELT ALS GOTTES SCHÖPFUNG

1. „Dem Herrn gehört die Erde” (Ps. 24,1). Gegenüber der nicht-christlichen Welt geben wir Zeugnis, dass „die Erde dem Herrn gehört. Die Erde gehört nicht uns, und wir können mit ihr auch nicht machen, was wir wollen, weil wir die dominanteste Art sind. Sie gehört auch nicht niemand, weil wir nur eine Art unter vielen sind. In christlichen Kreisen müssen wir nachdrücklich kundtun, dass „die Erde dem Herrn gehört“, und nicht nur die Menschen, die auf ihr leben: Dass die ganze Schöpfung Gottes Eigentum ist. Wir kümmern uns um die Erde ganz einfach deshalb, weil es demjenigen gehört, den wir Herr nennen.

2. Die Bibel fängt an mit der Schöpfung (1. Mose 1-2), und sie hört auf mit einer neuen Schöpfung (Off. 21-22). Sie stellt Jesus dar als den Einen, durch den Gott alle Dinge im Himmel und auf Erden mit sich selbst versöhnt hat durch das Blut seines Kreuzes (Kol. 1,15-23). Das Evangelium ist die gute Nachricht dessen, was Gott in Christus getan hat, um alle Folgen der menschlichen Sünde und des satanischen Bösen zunichte zu machen und seine ganze Schöpfung zu erlösen.

3. In der christlichen Mission stellt die kombinierte Proklamation des Reiches Gottes und der Herrschaft Jesu Christi eine ausreichende Grundlage dar, um in unser missionarisches Denken die dringend benötigte Sorge für die Schöpfung zu integrieren. Wenn Jesus der Herr der Erde ist, können wir unsere Unterordnung unter seine Herrschaft nicht davon trennen, wie wir uns bezüglich der Erde verhalten, denn die Herrschaft Christi beinhaltet die ganze Schöpfung. Ein Evangelium zu verkünden, das sagt, Jesus sei Herr, bedeutet, ein Evangelium zu verkünden, das die Erde mit einschließt. Die Sorge für die Schöpfung ist ein Thema des Evangeliums.

4. Die größte Gefahr für die Schöpfung in unserer heutigen Welt ist die Vergötterung des Konsumdenkens und des Materialismus. Das Evangelium legt die Axt an die Wurzel des Konsumdenkens. Diese dominante Vergötterung zu konfrontieren mittels der Sorge für die Schöpfung und des Umweltschutzes bedeutet, sich in geistlicher Kampfführung zu engagieren, in der nur das Gebet und das Evangelium entscheidend sind. 

5. Kapstadt 2010 muss die Evangelikalen dazu aufrufen, wieder ganz neu die biblische Bestätigung von Gottes Erlösungsabsicht für die Schöpfung zu erkennen. Integrale Mission bedeutet, die biblische Wahrheit zu unterscheiden, zu verkünden und auszuleben, nämlich, dass das Evangelium die gute Nachricht Gottes ist durch das Kreuz und die Auferstehung Jesu Christi für die Menschen und für die Gesellschaft undfür die Schöpfung.  Alle drei sind zerbrochen und leiden wegen der Sünde; alle drei sind eingeschlossen in die erlösende Liebe und Mission Gottes; alle drei  müssen ein Teil sein der umfassenden Mission des Volkes Gottes.  

6. Christen, die in der Umweltbiotechnologie und für den Umweltschutz arbeiten, haben einen rechtsgültigen missionarischen Ruf, der erkannt werden muss und von der Gemeinde ermutigt und unterstützt werden sollte, denn sie sind ein Vorbild dafür, wie die Sorge für die Schöpfung und Jesus als Herrn zu verkündigen miteinander verbunden werden können. Sorge für die Schöpfung ist ein Akt der Treue gegenüber dem ganzen biblischen Evangelium und der Mission, die daraus hervorgeht. Es ist bemerkenswert, dass diejenigen, die den Umweltschutz als ihre persönliche missionarische Berufung sehen, freudig darüber Zeugnis geben, dass dies auch evangelistische Früchte trägt. Dies soll nicht als eine vorrangige Motivation oder ein versteckter Vorsatz ihrer Arbeit gesehen werden, sondern als ein natürliches und wenig überraschendes Ergebnis der Treue zu Gottes Willen.

C. DIE WELT DER KULTUREN UND  RELIGIONEN 

1. Durch Gottes klare Absicht ist die Welt aufgegliedert in Nationen, Stämme und Sprachen – oder anders gesagt: In Kulturen. Menschliche Kulturen sind auf verschiedene Arten und zu einem bestimmten Grad religiös. Der Unterschied zwischen Religion und Kultur ist viel kleiner, als oft dargestellt wird. Alle Religionen existieren innerhalb Kulturen und durchdringen und formen sie. Deshalb findet man in allen Religionen der menschlichen Kulturen eine radikale Vieldeutigkeit.

2. Mindestens drei Elemente sind als kulturelles Phänomen in den Religionen verflochten. 1. Weil alle Menschen als Gottes Ebenbild erschaffen wurden und Gottes allgemeine Offenbarung erhalten, finden sich innerhalb der religiösen Elemente jeder Kultur einige Beweise des Offenbarungswerkes Gottes.  2. Weil jedoch alle Menschen Sünder sind, wird diese Offenbarung auch verdreht und verdunkelt durch unseren vorsätzlichen Ungehorsam, und auch dies nimmt religiöse Formen an. 3.  Weil in der Welt auch der Teufel am Werk ist, gibt es Elemente satanischer Irreführung und Böses in allen kulturell eingebetteten Religionen. Kurzum, alle Religionen können Elemente von Gottes Wahrheit beinhalten, können massiv sündenbeladen und Systeme von satanischer Bindung und Götzendienst sein.

3. Alle Nachfolger Christi erfahren die Herausforderung der zweifachen Zugehörigkeit: Wir sind Christen, die zu Jesus gehören und wir befinden uns innerhalb einer Kultur, zu der wir durch die Geburt oder durch andere Umstände gehören. Während wir dieser zweifachen Zugehörigkeit nicht entrinnen können, sind wir herausgefordert, loyal zu dem Bund mit unserem Herrn Jesus Christus zu stehen, zu dem wir berufen sind.  

4. Westliche Christen stehen vor der Herausforderung der doppelten Zugehörigkeit, weil sie Nachfolger Jesu sind, aber innerhalb Kulturen des Konsumdenkens und Materialismus leben. Sie müssen sich der götzendienerischen und quasi-religiösen Macht dieser dominanten Kräfte in ihrer Kultur bewusst sein, und auch, inwieweit Gläubige durch unbewussten Synkretismus und kulturellen Götzendienst unterwandert werden können. 

5. Es gibt Menschen in anderen Kulturen, die früher keinerlei Verbindungen hatten zum etablierten Christentum, aber heute Jesus nachfolgen und weiterhin in ihren ursprünglichen religiös-kulturellen Traditionen leben. Während sie versuchen, Jesus in Treue nachzufolgen, treffen sie sich mit anderen Nachfolgern Jesu in kleinen Gruppen für Gemeinschaft, die Lehre, Anbetung und Gebet, und alles dreht sich um Jesus und die Bibel. Gleichzeitig leben sie ihr soziales und kulturelles Leben innerhalb der Gemeinschaften, in die sie hineingeboren wurden.

6. Alle Nachfolge Jesu innerhalb diverser religiös-kultureller Traditionen, ob westlich oder nicht, benötigen sorgfältige biblische, theologische und missiologische Evaluation. Die Gefahren des Synkretismus bestehen weltweit und ebenso die Komplexität der sorgfältigen bibeltreuen Kontextualisierung. Wir sind aufgerufen, umsichtig zu unterscheiden, welche Elemente einer religiösen Kultur Merkmale von Gottes bekannter Gnade und Fürsorge sind und welche einen götzendienerischen Ursprung haben. 

D. DIE WELT DER SÜNDE UND ERLÖSUNG

1. Wir leben als zerbrochene und sündige Menschen in einer zerbrochenen und sündigen Welt. Bei unseren Informationsgesprächen wurden vier Schwerpunkte angeschnitten, in welche diese Zerbrochenheiten eingedrungen sind:

  • Die negativen Auswirkungen der Globalisierung 
  • Fortschreitende weltweite Armut und wirtschaftliche Ungerechtigkeit 
  • Die Herausforderungen des Bevölkerungswachstums und der riesigen Megastädte
  • Die Zerstörung der Umwelt und die menschenverursachte Klimaveränderung, unter denen schon heute die Ärmsten der Welt leiden   
  • Die Geißel HIV-AIDS
  • Die Kultur der Gewalt, welche die Gesellschaft auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene durchdringt.
  • Die Gefahr einer Atomkatastrophe
  • Die Gefahren des Terrorismus und seiner zugrunde liegenden Ursachen
  • Das Herbeiführen von ethnischen und religiösen Spaltungen

2. Bei der kritischen Hinterfragung, was es bedeutet, das ganze Evangelium in die ganze Welt zu bringen, muss jede Missionstheologie solche globalen Realitäten berücksichtigen. Wenn wir über „die Welt“ sprechen, können wir nicht nur zahlenmäßig „alle Menschen, die in der Welt leben“ in Betracht ziehen. Der gesamte Kontext dessen, was in der Welt ist und was das Leben jedes Einzelnen beeinflusst, muss mit einbezogen werden, ebenso die sozialen Strukturen, die den Menschen prägen und das physische Umfeld, von dem er abhängig ist.

Unsere missionarische Berufung verlangt sorgfältigeren und kritischeren Konsum, kreativere Produktion, prophetisches Anprangern, Fürsprache für und Mobilisierung der Opfer der Ungerechtigkeiten der Welt. Während wir uns einig erklären mit der Micha-Initiative, indem wir unsere Regierungen zur Verantwortung ziehen, ihren Verpflichtungen gegenüber „Make Poverty History” („Deine Stimme gegen Armut”) nachzukommen, identifizieren wir uns auch damit, „unsere Stimme gegen die Gier“ zu erheben, in unserem eigenen Leben, in den Gemeinden, Gemeinschaften, Ländern und in der Welt.

3. Als Gemeinde, als das Volk des Gottes, der Schöpfer und Erlöser ist, leben wir demnach in der Zwiespältigkeit, dass wir selbst gefallene Menschen sind und die Zerbrochenheit der Welt nicht nur teilen, sondern oft auch dazu beitragen; und doch sind wir erlöst, um erlöst in der Welt zu leben. Wir sind Zeugnis der vollendeten Tatsacheder Erlösung (in der Botschaft des Kreuzes und der Auferstehung); wir sind Zeugnis der anhaltenden erlösenden Kraft Gottes durch seinen Geist, der uns jeden Tag hilft; wir sind Zeugnis der Hoffnung der ultimativen Erlösung der ganzen Schöpfung. 

4. Wir haben Hoffnung, doch sie beruht nicht darauf, was wir tun können, um mit der Zeit die Welt erfolgreich wiederherzustellen, sondern sie ist gegründet auf den vollendeten Sieg Gottes durch Jesus Christus, der die neue Schöpfung garantiert und in der alles, was zerbrochen ist, wieder neu gemacht wird.

Epilog

Als Lausanner Theologische Arbeitsgruppe möchten wir diese Reflektionen, Fragen und Herausforderungen allen Menschen Gottes anbieten, die mit uns zusammen darauf warten, das Hochzeitsfest des Lammes zu feiern. Dann werden die Erlösten aus jedem Stamm, jeder Nation und jeder Sprache zusammen mit den Engeln Jesus preisen und loben. Dann werden wir alles  sehen, was das Evangelium durch Jesus Christus vollbracht hat, denn dann wird die Erlösung zahlloser Millionen Menschen ersichtlich, die Reinigung und Transformation jeder menschlichen Kultur und die Erneuerung der gesamten Schöpfung. Dann, schließlich und endlich, werden wir zusammen mit „allen Geschöpfen, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer sind, und alles, was darin ist, singen:

„Dem, der auf dem Thron sitzt,

und dem Lamm

gebührt das Lob und die Ehre und der Ruhm und die Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!” (Off. 5,13).

1John Stott, Christ the Controversialist, London:Tyndale Press, 1970, p. 127.

2 Die Lausanner Verpflichtung, Paragraf 5.

3 Nachfolger Jesu, die in der sie umgebenden religiösen Kultur bleiben – s. Teil III, Sektionen  C5 and C6.

4 Dasselbe mit verschiedenen Worten zweimal sagen.